Tage 5 – 7 Der Berg ruft!

Seit 3 Tagen fahre ich allein weiter. Da ich alles aus eigener Kraft fahren will und weder Bus,  Zug,  Auto, Sessellift, Boot oder Flugzeug auf dem Weg nach Istanbul besteigen will, kann ich nicht den Alpe Adria Weg fahren ( von dem ich erst nach Villach erfahren hab hahah, ein Hoch auf meine Vorbereitung). Mein Weg führte also an 3 Tagen über die Niederen Tauern und die Julischen Alpen. Die Strecke sieht man an der Karte. Hier der Kartenausschnitt , genauer auf http://goo.gl/maps/pj8vv .

Unbenannt

Leider hat beim Kartenausschitt nicht alles auf den Bildschirm gepasst. Die Strecke geht also von Radstadt in Österreich nach Soca in Slowenien. Mit 4 Pässen: Obertauern, Katschberg, Wurznpass und Vrsic. Insgesamt waren es 208,26 km und 3472 hm die ich zurück gelegt hab, wenn ich das so lese schüttel ich selbst nur noch den Kopf und grinse. Seit Juli weg ist steh ich früher auf. Zuerst wars noch 8 Uhr dann 7 Uhr und gestern wars 5.30  als die Vögel mich nicht mehr schlafen haben lassen. Es fühlt sich gut an so früh auf dem Rad zu sitzen, aber das geht auch nur im Zelt und an langen Radfahrtagen.

Am meisten beeindruckt haben mich die Österreichischen Touristendörfer. Überall stehen 4 Sternehotels und alle hatten zu, als ich nach Leitungswasser fragen wollt. Die haben wohl nur im Winter offen, wenn Skisaison ist. Mir haben sie nur die Sicht ins Tal versperrt.

die frisch beschneiten Spitzen ganz hinten sind mein Ziel

die frisch beschneiten Spitzen ganz hinten sind mein Ziel

Wildpark Untertauern, super schöner Radweg

Wildpark Untertauern, super schöner Radweg

4 Sterne Beton Bunker

4 Sterne Beton Bunker

so sieht einer aus der grad sein ganzes restliches Wasser ausgesoffen hat

so sieht einer aus der grad sein ganzes restliches Wasser ausgesoffen hat

Hab mich oben kurz nachm Pass auf eineme Campingplatz einquartiert. Ich musst erstmal einene Anrufen, dass er mir den Campingplatz aufsperrt. Die Nacht war leider so kalt, dass ich irgendwann in den Bodenbeheizten Waschraum umgezogen bin.

Sonnenaufgang am Obertauern

Sonnenaufgang am Obertauern

Weiter durch die Tauern. Nach nem langen Tag und geschwächt von der kalten Nacht hab ich keinen Bock mehr. Der Millstättersee war auch sehr interessant. Ich kam müde in Seeboden an, auf der Suche nach einem Campingplatz. Alles sehr touristisch. Hab natürlich nicht den Touricampingplatz am See genommen, sondern einen der ein wenig ausserhalb lag, nochmal 100hm. Dafür hab ich dort ein nettes paar getroffen die mit ihren Hunden unterwegs zu ner Hundestaffelübung im Kroatien waren. Der Tag endet mit dem Sonnen untergang und einem Bier. Einen untouristischen Zugang zum See hab ich erst am nächsten Tag gefunden als ich weiterfuhr. Der hat dafür den Vortag entschädigt.

Millstättersee um 7.30 morgens

Millstättersee um 7.30 morgens

 

Ich bin froh wenn ich die Tourifallen hinter mir lassen kann und mein Zelt das erste mal unter einem Baum, in freier Wildbahn aufstellen darf. Gefrustet vom Tourismus hab ich mir für den 3. Tag alleine eine größere Etappe vorgenommen. Mir wurd klar ich muss einfach weiter in den Südosten.

Die Route war gleich gefunden, ich wusste was ich mir vornehme 90 km und 800hm sollten zu packen sein. Die Aufwärmphase ist vorbei, dacht ich mir. Eine leichte stetige Steigerung der Strecke und Höhe sollt schon drin sein. Der Wurznpass, mein Gegner des Tages, 800hm und eine Passage mit 18% Steigung. Ich hab mich auf einiges gefasst gemacht, hier ein Auszug aus meinem Reisetagebuch:

Geil! Ich sitz grad am Wurzenpass mit am Bier und einer pfeffrigen Leberknödelsuppe und freu mich wie ein Schnitzel! Yeah! Bum shakalaka! Aber erstmal von Anfang an. Es ist der 7.Tag und ich hab nur ein Ziel: Das touristisch zugepflasterte Österreich hinter mir lassen. Um dieses Ziel zu erreichen bin ich 5.30 aufgestanden und saß um 6.45 auf dem Rad. Am Millstättersee gestartet, will ich die 56 km nach Villach vor 11 Uhr schaffen. Es geht fast nur bergab mit ein Paar Gegenanstiegen. 344hm und 54 km später steh ich vor dem Wurzenpass. Ich bin etwas erschöpft, aber hier kann ich kurz rasten. Ich esse gutes Salzburger Körndlbrot und Kaminwurzen und ein Snickers. Im Kopfhörer läuft Jamaram – Shout it from the Rooftops und ich fühl mich als müsst ich vor Freude vom Dach schreien. Ich tanze auf offener Straße zur Musik mit meinem Snickers in der Hand und den Armen wild fuchtelnd zur Musik. Ich wurd am Tag davor schon vom Campingplatzbesitzer gewarnt, der Wurzenpass sei steil: 18%. Ich lass mich nicht schocken. 26°C. Windig. Wurzenpass. Die Frisur hält! 

Es geht locker los. Im Hinterkopf hallt noch Jamaram, die Kopfhörer hab ich abgelegt um den Verkehr auf der schmalen Straße eher zu hören. Das Schnaufen wird schwer, das treten schwerer. Alles noch fahrbar, aber mit Gepäck fies. Mein Atem folgt dem Rhytmus Einatmen-Einatmen-Ausatmen. Bald schon ändert er sich zu Is-tan-Bul. Ich komme an ein Schild

Wurzenpass 18%

Wurzenpass 18%

Die entgegenkommenden Autos riechen verdächtig nach Bremse oder Kupplung. Kein gutes Zeichen. Nach zwei Tagen Pässe fahren, weiß ich, dass es erst schlimm wird, wenn ein bestimmtes Schild kommt.

Bitte 1. Gang einlegen

Bitte 1. Gang einlegen

Ich teste zum 10.mal, ob sich nicht noch ein halber Gang niedriger schallten lässt. Vergebens. Istanbul wird zur Melodie von Hava Nagila gesungen(Istanbul,Nagila Istanbul). Ich sehe zum ersten mal die 18% Steigung. Wagemütig rufe ich laut „Haha mehr habt ihr nicht zu bieten ihr Ösis“ Ich fahre 100 Meter im stehen bei 18%. Mein Atemrhytmus ändert sich zu Istan-Bul  Ein-Ausatmen. Ich steige ab und schiebe. Muss alle 10 Meter stehen bleiben. Hinter mir kommt ganz langsam ein kleiner Fiat den Berg herauf. Er ist nicht viel schneller als ich , ich höre ihn schon von weitem. Er hält neben mir. Am Steuer sitzt ein Anton aus Tirol Typ und fragt lässig „Brauchst a Hülfe?“ Ich: „Danke na des muas von alloa gehn“ Er tuckert ab. Ich denk mir a Minute später “ Nur wer selber schwitzt, weiß wie es sich anfühlt nass zu sein“ …äh ja…. Bin Gefühlte 10 mal stehen geblieben zum verschnaufen. Schaue nach oben, schaue nach unten. Hälfte ist geschafft. meine 1.5 Liter Wasser sind wohl verdunstet. So viel hab ich an keinem anderen Tag gebraucht.Ich fahre weiter. Tacho zeigt nur mehr 13% und nur noch 200hm zum Pass. Yeah! Ich bin wohl aus härterem Holz geschnitzt als diese Wurzen und nur wer selber schwitzt… hm was ist eigentlich wenns regnet, dann wird man auch nass. Mist wär ich doch nur mit Anton mitgefahren… Haha, da gehts Bergab. Ich jubel. Singe lauthals „We are the Champions…“ mist bin ja allein „I am the Champion“ . Tacho sagt 70 gefahrene Kilometer und 980 hm. Es ist erst 13.30! Yeah ich träum vom Bier oben. Plötzlich eine Kurve. Ich schau mir den Anstieg an, mist doch nicht oben. zum Glück ist in der Kurve ein Bach. Ich fülle meine Flaschen und saufe was das Zeug hält. Die Anstrengung fordert seinen Preise. Hab kurz Nasenbluten, muss verschnaufen.

kurzes Nasebluten, des hatte ich früher oft, war net wild

kurzes Nasebluten, des hatte ich früher oft, war net wild

Der letzte Anstieg wird gefahren, haha da ist wirklich der Pass. Ich seh schon das Slowenische Schild.  Selbst der alte Panzer am Wegrand kann mich jetzt nicht mehr aufhalten. Grad holen mich zwei Rennradfahrer ein. Keuchend und verschwitzt zollen sie mir Respekt. Beide haben kein Gepäck. Sie erzählen mir dass sie gestern ihre Badeschlappen heimgeschickt haben, weil sie Gewicht sparen wollten. Die haben wirklich nichts dabei. 4 Tage wollen sie Radfahren bis hinter Ljubilian, ich hab den genauen Namen vergessen. Sie staunen über meine 50kg Gepäck und dass ich bis auf die 18% alles gefahren bin. Der Wind am Pass weht frisch, es riecht nach Abenteuer. Prost!

 

Als ich die Zeilen am Pass geschrieben hab, wollt ich eigentlich nur noch bergab zum nächsten Dorf fahren , aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, am Abend kamen dann diese Zeilen hinzu:

 

Wie man liest, fühlte ich mich wie der König der Straße am Wurzenpass. Endlich in Slowenien , Tagesziel geschafft, aber der Tag war noch nicht rum, es war erst 14.30. Mein Ziel war Kranjska Gora, welches sich schnell als das schlimmste alle Touridörfer entpuppte. Beim runterfahren des Passes musst ich immer wieder stehen bleiben damit meine Felgen beim Bremsen nicht zu heiß wurden. Da traf ich einen Slowenen aus Ljubiliana der hier auch im Urlaub war. Er riet mir noch ein Tal weiter zu fahren, auf der anderen Seite sei es viel schöner. Ich wollte dem eigentlich nicht folgen, das wäre meine nächste Tagesetappe!! und meine Komanchen in den Oberschenkeln pfeiffen schon. Ich fuhr also nach Kranjska Gora.  In 3 Pensionen hab ich nach einem Zimmer gefragt, aber die Preise lagen alle über 40 Euro die Nacht. Nichts für meine Ansprüche. Alles zu nobel und mein Bauchgefühl stimmte nicht. Ich hielt Ausschau nach einem Campingplatz. Nichts zu finden und keiner wusste etwas. Es war mittlerweile 17 Uhr . Ich hab 2 Stunden in diesem sch… Dorf verbracht. Aus Trotz und Wut bin ich in Richtung Pass aufgebrochen. Der Fluss Sava, kam mir entgegen und erzählte mir von den Bergen in seinem herrlichen Türkis ! Dann schlafe ich halt heut Nacht draußen, wenn nichts anderes hergeht. Der Vrsic Pass heut nicht mehr zu erreichn. Zwar nur leichte Steigung und es waren wenig Menschen unterwegs, weil es schon spät war und nach Regen aussah, aber ich wusste, dass mir nochmal 800hm bevorstehen und 40 km. Ich wollt irgendwo am Fuße des Passes schlafen , aber es hat sich nichts ergeben. Irgend wann hab ich mich entschieden. Wenn es bis 300 hm unter den Pass nicht zu regnen beginnt,  fahr ich ihn.

Dieser Tag wird mir noch lang in Erinnerung bleiben. Der Pass war die schönst Radstrecke die ich je gefahren bin. Das Licht, die Temperatur meine restliche Energie alles war perfekt. Wegen der späten Uhrzeit und der dunklen Wolken waren nur sehr wenige Menschen unterwegs. Es fühlte sich an als gehöre der ganze Berg mir. Wäre ich erst am nächsten Tag gefahren hätte es mich komplett eingeschifft. Ein einmaliges Erlebnis. Es kostete mich all meine Kraft  und Willen, den Pass zu schaffen. Ich konnte keine Position am Sattel länger als 3 Sekunden halten ohne, dass die Schmerzen unerträglich wurden. Das Gefühl so heftig zu kämpfen und dann am Pass anzukommen, hat die Aussicht unbeschreiblich gemacht. Der Wert eines Erlbnisses, steigt und fällt mit der Anstregung die man dafür aufbringen muss. Am Ende des Tages standen 118 km und 1606 hm auf meinem Tacho. Das sind Zahlen, die ich davor nur mit Mountainbike und leichtem Gepäck gesehen habe. So wie ich mich am Wurzenpass als König der Welt gefühlt hab, war mir am Vrsic, bewusst wie unbedeutend und klein ich Mensch eigentlich bin. Ein Zustand tiefer innerer Ruhe. Ich bin noch etwas 1,5 Stunden den Pass hinunter gerollt. Musste oft warten bis meien Felgen abgekühlt waren. Unten war zum Glück gleich ein kleiner Campingplatz. Ich habe noch eine Seite aufgeschrieben und hab heut Nacht geschlafen wie ein Stein. Das Socatal ist das Schönste was ich bisher gesehen habe.

Sava am Anfang des Passes Vrsic

Sava am Anfang des Passes Vrsic

Triglav National Park auf der nördlichen Seite

Triglav National Park auf der nördlichen Seite

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so sehen Sieger aus, stolz dass ich es geschafft hab

so sehen Sieger aus, stolz dass ich es geschafft hab

1,5 Stunden Abfahrt mit vielen Fotopausen zum Felgen abkühlen

1,5 Stunden Abfahrt mit vielen Fotopausen zum Felgen abkühlen

Der Ausblick um 9 Uhr Abends kurz bevor ich mein Zelt am Fluss aufgeschlagen hab

Der Ausblick um 9 Uhr Abends kurz bevor ich mein Zelt am Fluss aufgeschlagen hab

Und es endet mit dem 8. Tag. Heute. Ich bin nur 40 km Flussabwärts gefahren. Es schüttet wie aus Eimern. Meine Oberschenkel brennen von gestern 🙂 und um 12 Uhr Mittag bin ich dem guten Essens duft und dem Free Wifi Schild erlegen. Ich muss mich erholen . Morgen noch mal ein Tag Regeneration (hm ob das wohl Absicht ist, dass Regen in Regeneration steckt , sollte ich mal drüber nachdenken). Gute Nacht!

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4 Antworten zu Tage 5 – 7 Der Berg ruft!

  1. Vroni Brandtner schreibt:

    Michi, du bist der Beste! Ich hab dich lieb und bin mega, mega stolz auf dich!!!!! ❤ dein Schwesterherz

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  2. Simone schreibt:

    Lieber Baumi! Hut ab! Ich bekomm ja schon vom lesen allein Muskelkater! Ich wünsch dir weiterhin alles Gute auf deiner Reise und angemessen durchschnittliches Wetter, nicht zu heiß und kein Regen!!! Und immer genug Luft in den Reifen (oder was man sich unter Radfahrern halt so wünscht 🙂 )
    Ganz liebe Grüße aus Innsbruck!
    Simone

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  3. sibylle schreibt:

    Lieber Michi! Danke, dass Du uns immer so intensiv an Deinen Erlebnissen teilhaben lässt – Du solltest ein Buch schreiben 🙂 Wird sicher ein „bestseller“ 🙂 Pass auf Dich auf ❤

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  4. Andrea Brehmer schreibt:

    Lieber Michi! Hut ab, du bist ja der Wahnsinn. Das ist schon eine tolle Leistung. Ich wünsch Dir ganz viel Glück, viel Spaß auf deiner weiteren Reise und vor allem wenig Regen. Ganz liebe Grüße aus der Hofau, Deine Cousine Andrea

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